Brennen, um für Jesus zu entzünden: Online-Tagung mit Dr. Johannes Hartl

Vom 28. bis 29. Januar fand in der phil.- theol. Hochschule Heiligenkreuz die Tagung „Brennen, um für Jesus zu entzünden“ statt. Diese war bewusst weniger theoretisch, sondern viel mehr pastoral-praktisch konzipiert und wollte Impulse geben, wie in unserer Zeit Neuevangelisierung gelingen kann. Referent der Tagung war Dr. Johannes Hartl, der Gründer und Leiter des Gebetshauses Augsburg, in welchem nicht nur rund um die Uhr gebetet, sondern auch regelmäßig christliche Events mit Teilnehmerzahlen im fünfstelligen Bereich veranstaltet werden.

Zunächst präsentierte uns Dr. Hartl eine Ursachenanalyse des kanadischen Religionsphilosophen Charles Taylor für die bemerkenswerte Tatsache, dass noch vor 500 Jahren der Satz „Ich glaube nicht an Gott“ so gut wie undenkbar, heute jedoch das Gegenteil „Ich glaube an Gott“ aus dem Mund eines Intellektuellen fast schon komisch anmutet. Zentrale Ursache für dieser Entwicklung, die in den letzten Jahrzehnten massiv beschleunigt wurde, ist das Versäumnis der Kirche, sich auf die „Optionalisierung des Glaubens“ einzustellen. Zu lange hatte man an dem über Jahrhunderte so erfolgreichen Modell der „Volkskirche“ festgehalten, in welchem fast jedem eine christliche Sozialisierung gewissermaßen in die Wiege gelegt wurde und diese quasi „automatisch“ durchlaufen wurde – ohne Frage ein Phänomen der Vergangenheit. Auch bereitet es der Kirche Schwierigkeiten eine „Kultur der Authentizität“ zu schaffen, d.h. sich selbst wie auch ihre Mitglieder durch ein klares Profil auszuzeichnen.

Um dieses Defizit zu überbrücken ist es notwendig, so Hartl, eine neue evangelistische, d.h. dem Evangelium entsprechende, Kultur zu schaffen. Für jedwede Kultur sind Werte fundamental: Mit einem Wertewandel ist notwendig auch ein Kulturwandel verbunden. In seinem Vortrag führte Dr. Hartl zehn solche Werte an, von denen hier nur drei erwähnt werden sollen:

  1. „Demut im Pluralismus“: Dies beschreibt diejenige Haltung, einem „Fremden“ einerseits mit Herzlichkeit andererseits mit Bescheidenheit entgegenzutreten. Hierbei setze ich nicht voraus, dass der Andere, der z.B. zum Sonntagsgottesdienst kommt, bereits alles verstehen kann, was ich sage, geschweige denn gläubig ist.
  2. „Emotionale Erfahrungsberichte“: Papst Paul VI. schrieb in seiner Enzyklika „Evangelii nuntiandi“: „Was die Menschen unserer Tage heute suchen, sind in erster Linie nicht Lehrer, sondern Zeugen. Und wenn es Lehrer sind, dann deshalb, weil es Zeugen sind.“ Wir dürfen neu die Schönheit des persönlichen Zeugnisses entdecken und diesem wieder mehr Bedeutung zukommen lassen.
  3. „Ästhetik“: Oft sind die Gründe, die einen Menschen zu einer Entscheidung bewegen, emotionaler Art. Man geht dorthin, wo es einem am besten gefällt. Dies gilt auch für die Option des Glaubens. Während die Kirche vor 300 Jahren mit der Ästhetik des Barock gewinnen konnte, können wir uns heute nicht darauf ausruhen, in ungeheizten jahrhundertealten fast museumsartigen Kirchen die Liturgie zu feiern, sondern müssen uns bemühen, den ästhetischen Nerv des 21. Jahrhunderts anzusprechen.

Die Sprache, auch ein elementarer Bestandteil einer jeden Kultur, ist Johannes Hartl ein besonderes Anliegen. Er stellt fest, dass es in der Kirche ein fundamentales Kommunikationsproblem gibt, da es oft nicht gelingt, den Glauben so zu formulieren, dass er von den Zuhörenden wirklich verstanden geschweige denn angenommen wird. Die Schuld hierfür liegt maßgeblich auf Seiten der Kirche, welche sich zu selten bequemt, von ihrem Fach-Jargon Abstand zu nehmen. Hierzu gehören Fach-Termini wie „Sünde“, „Erlösung“, „Gott“ oder „Heiliger Geist“, die entweder überhaupt nicht oder nur in einem verkürzten bzw. sogar nicht-christlichen Sinn verstanden werden. Nicht wenige denken zum Beispiel bei „Sünde“ nur an Sahnetorte (Sünden gegen die Gesundheit) oder „Umweltsünden“, wie das Entsorgen eines Plastikbeutels in die Biotonne. Noch bedenklicher wird es bei „Erlösung“, das mittlerweile mit assistiertem Suizid assoziiert wird: dabei meint Erlösung doch nicht die Auslöschung eines Menschenlebens, sondern die befreiende Auferweckung der Seele in eine Freundschaft mit Gott.

Johannes Hartl gibt drei Tipps, wie die Kirche Kommunikation neu lernen kann. Nur einer sei kurz erwähnt: Es braucht ein neues Bewusstsein dafür, dass die Institution Kirche in den letzten Jahren ihre Anerkennung als moralische Instanz stark eingebüßt hat. Verständigung kann nur gelingen, wenn eine Vertrauensbasis besteht. Diese muss jedoch erst wiederaufgebaut werden. Konkret heißt das: Nur weil jemand Bischof o.ä. ist, heißt das in keiner Weise, dass sich viele dafür interessieren, was er sagen möchte. Hierfür bedarf es eines Vertrauensvorschusses und eben diesen muss sich die Kirche erst wieder verdienen.

Neue Veranstaltungsformate! Das heißt nicht: „ab sofort keine Heilige Messe mehr“ oder „Bierzelt statt Pfarrkirche“. Was es aber sehr wohl heißt, dass sich Gemeindeleben nicht auf Gottesdienst und Sakramentenspendung beschränken kann. Was zu Zeiten des Paulus die Agora (der Marktplatz) war, auf welcher Ideen ausgetauscht und eben auch gepredigt wurde, ist heute zu einem großen Teil das Internet bzw. Social Media. Wenn die Kirche weiterhin Menschen führ ihren Glauben begeistern möchte, muss sie hier deutlich aktiver werden und zwar mit einem eigenen Profil. Das positive Potenzial des Internets für die Neuevangelisierung wurde durch eben diese Tagung, welche corona-bedingt online stattfinden musste, deutlich. Was zwar für die Studierenden einen Verlust bedeutete, stellte für viele Interessierte einen großen Gewinn dar, denn nur wenige Wochen später wurden die Vorträge bereits über 70.000-mal angesehen.

Johannes Hartl beendete die Tagung mit einem Appell, die geistliche Realität nicht zu unterschätzen, da um jede Seele ein geistlicher Kampf gefochten wird: „Gebet ist nicht alles, doch ohne Gebet ist alles nichts“. Wenn wir andere Menschen für Jesus entzünden wollen, ist das Gebet für diese unersetzlich. Ora et labora!

 

Die Vorträge von Dr. Johannes Hartl können jederzeit auf dem YouTube-Kanal „Stift Heiligenkreuz“ angesehen werden:

Teil 1 – Eine neue Kultur: https://www.youtube.com/watch?v=RnOhsVnl6-M

Teil 2 – Eine neue Sprache: https://www.youtube.com/watch?v=GbpYqbormN8

Teil 3 – Neue Veranstaltungsformate: https://www.youtube.com/watch?v=4IB05oYrx9Y

 

 

(Autor: Willy Mauser, Kandidat für das Stift Heiligenkreuz,
Theologiestudent der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz)

 

(Bild: Benjamin DeYoung, Unsplash)