Der Heilige Geist – ein christliches Gespenst?

Der Heilige Geist – ein christliches Gespenst?

 

Als Paulus nach Ephesus kam, fragte er einige Jünger dort: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen?“ Darauf antworten sie ihm: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt“ (vgl. Apg 19,2). Ganz so schlimm ist es bei uns hoffentlich nicht: Jeder hat wahrscheinlich schon einmal vom „Heiligen Geist“ gehört. Aber wissen wir auch, wer und was der Heilige Geist ist? Geht es vielen nicht letztlich doch wie diesen Jüngern in Ephesus, die nicht den blassesten Schimmer davon haben, was es mit diesem „Geist“ auf sich hat?

Die Dreifaltigkeit

Jede Heilige Messe beginnt mit den Worten „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Dieselben Worte sprechen wir, wenn wir uns bekreuzigen beim Betreten einer Kirche oder vor dem Gebet. Warum tun wir das? Wenn wir beten – und dafür ist auch die Heilige Messe da – richten wir uns auf Gott aus . Gebet ist Sprechen zu und mit Gott. Einem solchen Gespräch geht – wie fast allen gewöhnlichen Gesprächen – eine Anrede voraus. Wenn ich mit meinem Bruder ein Gespräch beginnen möchte, rede ich ihn mit seinem Namen an und grüße ihn auf diese Weise. Genau das Gleiche tun wir auch, wenn wir das Kreuzzeichen machen: Wir sprechen Gott bei seinem Namen „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ an.

Man könnte jetzt denken: „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ – das ist doch ein komischer Name? In unseren Augen und Ohren vielleicht schon, nicht aber in den Augen der Heiligen Schrift. Die Heilige Schrift wurde ja in der Antike im Orient geschrieben. Dort gibt es ein tiefgründigeres Verständnis des Namens: Er ist nicht nur eine persönliche Anrede, sondern er drückt zugleich auch aus, wer oder was der Angeredete ist. Der Name hat eine tiefere Bedeutung. So ist zum Beispiel Abraham nicht nur ein Eigenname, sondern hat auch eine inhaltliche Bedeutung: „Vater der Menge“ (vgl. Gen 17,5). In seinem Namen ist letztlich die Berufung Abrahams, Stammvater eines großen Volkes zu sein, bereits enthalten.

So ist es auch beim Namen Gottes: Er drückt aus, was Gott in seinem Inneren ist – die heilige Dreifaltigkeit. Was aber genau ist die Heilige Dreifaltigkeit? Das in Worte zu fassen, haben die größten christlichen Denker aller Zeiten versucht. Wirklich gelungen ist es letztlich niemand – die Dreifaltigkeit ist ein Geheimnis, das unser Verständnis übersteigt. Das muss uns keineswegs beunruhigen, denn dass Gott per Definition meine Vorstellungskraft übersteigt, ist letztlich logisch. Etwas, das ich voll verstehe, kann vielleicht ein Götze sein, aber niemals Gott: Gott ist größer als mein Kopf. Sehr hilfreich war die Formulierung von Basilius dem Großen: Es gibt ein göttliches Wesen (d.h. einen einzigen Gott), der in drei Personen existiert: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Glaube an die Dreifaltigkeit bedeutet demnach: der Glaube an einen Gott in drei Personen.

Was macht der Heilige Geist?

Wenden wir uns nun wieder explizit dem Heiligen Geist zu. Wer ist das? Der Heilige Geist ist der „andere Beistand“, den Jesus versprochen hat seinen Jüngern zu erbitten, wenn er beim Vater ist (vgl. Joh 14,16). Er hat ihn über seine Jünger ausgegossen an Pfingsten (vgl. Apg 2,2-4). Dieser Heilige Geist ist es, der die Jünger befähigt hat, in die Welt hinauszugehen und Zeugnis für Jesus abzugeben. Aus eigener Kraft hatten sie es nicht geschafft, sie waren unter sich geblieben und haben das Haus kaum verlassen. Als aber der Heilige Geist an Pfingsten kam, verkündeten sie öffentlich die frohe Botschaft. Nach der Pfingstpredigt der Apostel – in der Apostelgeschichte steht nur die von Petrus – wurden 3000 Menschen gläubig (Apg 2,41). Eine Wirkung des Heiligen Geistes liegt demnach in der Befähigung, glaubhaft Zeugnis zu geben vom Evangelium.

Man könnte jetzt noch weiter abstrakt über die Wirkungen des Heiligen Geistes sprechen, aber das klingt dann sehr schnell steril und mechanisch. Bei Interesse daran ist der Abschnitt im Katechismus sehr hilfreich.
Am Besten versteht man, was der Heilige Geist ist, wenn man ihn in seinem eigenen Leben erlebt. Ein kurzes Beispiel aus meinem Leben: Bevor ich ins Kloster eingetreten bin, war ich bereits zwei Jahre in der Legion Mariens und habe fast jede Woche Sonntag für mehrere Stunden Menschen in einem Pflegeheim besucht.

Eines Tages, ich war bereits einige Zeit im Altenheim und war gerade im Begriff zu gehen, sagte eine innere Stimme zu mir: „Geh in dieses Zimmer dort.“ Ich war noch nie in dem Zimmer und bin sonst auch nie in ein Zimmer gegangen, außer um gezielt Menschen zu besuchen. Nach anfänglichem Zögern bin ich hineingegangen. In dem Zimmer war eine Rentnerin mit roten Haaren. Es schien, als hätte sie auf mich gewartet. Sie erzählte mir, dass sie heute vorgehabt hatte, sich umzubringen. Sie hält es einfach nicht mehr aus. Ich konnte lange mit ihr sprechen und am Ende fragte ich Sie, ob sie bei einem guten Priester beichten möchte. Sie hatte das zwar Jahrzehnte nicht mehr getan, war aber gerne dazu bereit und tat es wenig später auch. Danke Heiliger Geist!

Bilder des Heiligen Geistes

Zwar kann ich mit dieser Geschichte nicht ausdrücken, wie man sich den Heiligen Geist konkret vorstellen kann, wohl aber zeigt es, wie er in einem wirken kann. Generell ist es deutlich leichter von den Wirkungen des Heiligen Geistes zu sprechen, als von seinem Wesen. Die Heilige Schrift verwendet Bilder, um den Heiligen Geist zu umschreiben. Eines dieser Bilder – der Heilige Geist als Beistand – wurde bereits genannt. Als solcher gibt er uns Kraft in den schwierigen Situationen unseres Lebens, wenn wir sein Wirken in uns zulassen.

Die Feuerzungen, in denen der Heilige Geist sichtbar auf die Jünger herabkam, drücken aus: Wer den Heiligen Geist besitzt, ist Feuer und Flamme für Christus – Begeisterung. Diese ist so wichtig für die Weitergabe unseres Glaubens, denn, wie Augustinus sagt: „In Dir muss brennen, was Du in Anderen entzünden willst.“ Diese Begeisterung darf auf keinen Fall oberflächlich als bloße Emotion verstanden werden. Glaube ist viel mehr als ein Gefühl: Glaube ist eine Lebensentscheidung Jesus nachzufolgen und Beziehung mit ihm. Das konsequent umzusetzen kann uns nur mit der Hilfe des Heiligen Geistes gelingen.

Ein in der Kunst sehr oft aufgegriffenes Motiv ist die Taube. Bei seiner Taufe kam der Heilige Geist „wie eine Taube“ auf Jesus herab (vgl. Mk 1,10). Im Mittelalter wurde diese Stelle ja dadurch missbraucht, dass auf dem Reliquienmarkt Federn des Heiligen Geistes verkauft wurden. Neben vielen anderen abenteuerlichen Vorstellungen lag hier wohl das Missverständnis vor, dass der Heilige Geist eine Taube ist. Aber natürlich ist der Heilige Geist keine Taube – auch wenn er in (fast) allen Kirchen so dargestellt wird. Viel mehr möchte dieses Bild ausdrücken, dass der Heilige Geist von oben kommt, von Gott geschenkt wird und deshalb nicht „gemacht“ werden kann. Genauso wie der Flug einer Taube nicht vorhersehbar ist, so ist auch das Wirken des Heiligen Geistes spontan und unvorhersehbar. Man kann und darf ihn nicht wie einen Mechanismus ansehen, dessen ich mich als Christ nach Belieben bedienen kann. Die Initiative liegt bei ihm.

Der Heilige Geist ist Gott, Gott der Dir beisteht, Dir nahe ist, Dir Kraft gibt, Dich führen möchte auf einem Weg, den Gott für Dich vorgesehen hat. Er ist derjenige, der das, was Du tust, ja Dein ganzes Leben vollenden möchte. Ich möchte Dich ermutigen, Ihn im Alltag anzurufen und um Hilfe und Beistand zu bitten: „Komm Heiliger Geist!“

 

 

(Autor: Willy Mauser, Kandidat für das Stift Heiligenkreuz,
Theologiestudent der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz)