Exodus 90 – Raus aus der Sklaverei!

Exodus 90 – Raus aus der Sklaverei! 

Exodus ist nicht nur ein Buch im Alten Testament, das den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei ins verheißene Land schildert. Nein, Exodus 90 ist auch ein aus den USA stammendes spirituelles Programm für Männer, die die gleiche Reise wie die Israeliten antreten wollen: aus der Sklaverei der Sünde und der Abhängigkeiten in die Freiheit der Beziehung mit Gott. 

Für Unentschlossene oder Teilzeit-Christen ist das aber nichts, denn es geht hier richtig zur Sache! Exodus dauert 90 Tage lang (eine Zeit, die laut wissenschaftlichen Studien erforderlich ist, um sich neue Gewohnheiten anzueignen) und besteht im Wesentlichen aus drei Elementen: Gebet, Askese und der sogenannten fraternity (d. h. brüderliche Gemeinschaft). Entscheidend ist die tägliche Lesung eines Abschnitts aus dem Buch Exodus und die holy hour, also ein stilles Gebet von idealerweise einer Stunde. Daneben gibt es verschiedene asketische Disziplinen wie zum Beispiel kalt duschen, regelmäßiger Sport, kein Alkohol, keine Süßigkeiten, kein Essen zwischen den Mahlzeiten, Fasten am Mittwoch und Freitag, kein Fernsehen und Nutzung von Handy und Computer nur für notwendige Aufgaben. Außerdem gibt es jede Woche ein etwa halbstündiges „fraternity-meeting“, wo man mit den anderen seine Erfahrungen teilt und eine fixe Person zugewiesen bekommt, mit der man sich jeden Tag kurz austauscht. 

Es waren 90 Tage…

Vielleicht denkst Du Dir jetzt: So etwas Verrücktes, da mach ich doch nicht mit! Auch ich hätte Exodus vielleicht nie gemacht, wenn mich nicht Anfang des Jahres persönlich ein Freund eingeladen hätte, mich mit ihm und ein paar anderen Männern aus meiner Pfarre auf diese Reise zu begeben. Und ehrlich gesagt begann ich erst nach ein paar Wochen wirklich zu verstehen, auf was ich mich da eingelassen hatte: Es waren nicht ein paar Tage, auch nicht ein paar Wochen, sondern volle 90 Tage, in denen ich mir vorgenommen hatte, Gebet, Askese und fraternity intensiv zu leben. 

Prägend waren für mich vor allem die Lesungen aus dem Buch Exodus. Diese sind so aufgeteilt, dass in den 90 Tagen das gesamte Buch von vorne bis hinten einmal durchgelesen wird. Dadurch hatte ich jeden Tag den Exodus der Israeliten vor Augen, beginnend mit der Sklaverei in Ägypten, der Berufung des Mose, dann die gewaltige Rettung durch das Rote Meer, der Bund am Sinai, die zehn Gebote samt den Opfervorschriften, das goldene Kalb und schließlich die Ankunft im verheißenen Land, die natürlich erst im Buch Numeri geschildert wird. 

Auf diese Weise bekam die Geschichte des Volkes Israel auf einmal eine ganz konkrete Bedeutung für mein persönliches Leben. Wenn beispielsweise die Israeliten nach den Plagen endlich aus Ägypten ausziehen durften, ist das erste, was sie tun, die Auflehnung gegen Gott: „Wir wollen Sklaven der Ägypter bleiben; denn es ist für uns immer noch besser, Sklaven der Ägypter zu sein, als in der Wüste zu sterben“ (Ex 14,12). Ähnlich habe ich es auch bei Exodus 90 erfahren: Wenn man zum Beispiel für längere Zeit keine Süßigkeiten essen darf, denkt man an die „gute alte Zeit“ zurück, da man noch Süßigkeiten essen konnte und beginnt, sich innerlich gegen diese Disziplin zu sträuben. Die entscheidende Frage ist: Will ich wirklich den Weg in die Freiheit gehen und nehme ich dafür auch Schwierigkeiten in Kauf oder bleibe ich lieber in meiner Bequemlichkeit sitzen? 

Exodus ist kein leichter Weg. Es braucht eben Selbstüberwindung, um Stück für Stück frei von schlechten Gewohnheiten und empfänglich für die Gnade Gottes zu werden. Dabei gibt es folgendes zu beachten: Nie darf ich glauben, ich schaffe das alles alleine. Wirklich christliche Askese schaut anders aus: Es bedeutet, sich wie die Israeliten von Gott führen zu lassen und zuzugeben, dass man selbst nicht alles unter Kontrolle hat und immer wieder in die alten Fehler zurückzufallen droht. Gott ist der Eigentliche, der in uns wirkt – wir dürfen mithelfen an seiner Gnade! 

Damit wir also nicht in einen selbstgefälligen Perfektionismus verfallen und unser Ego zum neuen Götzen machen, gehört zu Exodus 90 auch das Gebet. Letztendlich ist es das Gebet und die Beziehung zu Jesus, die mir die Kraft dazu gegeben haben, diese drei Monate zu bestehen. Auch die Erfahrung der fraternity, nämlich dass es andere Männer gibt, die gemeinsam mit mir unterwegs sind und mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, hat mich in schwierigen Momenten gestärkt.

Noch nie so intensiv

Was habe ich nun von Exodus 90? Gibt es einen „Profit“, oder ist doch alle Anstrengung umsonst gewesen? Das Osterfest am 91. Tag war eine große Freude. Die Fastenzeit war für mich noch nie so intensiv gewesen und dementsprechend tief erlebte ich auch Ostern. Aber es gibt noch viel größere bleibende Früchte: Ich habe durch Exodus gelernt, dass geistliches Leben nicht „einfach so“ geschieht, sondern wirklich eine ständige Neuausrichtung auf Gott braucht. Auch wenn ich den Eindruck habe, dass ich von manchen Dingen freier geworden und Gott nähergekommen bin, so weiß ich doch, dass es eine lebenslange Aufgabe bleibt, die Freiheit der Gotteskindschaft zu bewahren. Den Israeliten ging es damals nicht anders: Immer wieder fielen sie von Gott ab, weil sie zu wenig Vertrauen in ihn hatten und sich eigene Götzen machten. 

Ein großer Trost ist die Erfahrung, dass wir diesen Weg nicht alleine gehen müssen. Christus selbst ist es, der uns begleitet. Und je mehr wir versuchen, uns mit Christus und seinem Kreuz zu vereinen, desto mehr werden wir die Erfahrung machen, die auch Paulus schon gemacht hat: 

Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,20) 

 

(Autor: Johannes Spranger, Kandidat für das Stift Heiligenkreuz,
Theologiestudent der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz)

 

 

(Bild: Victor Freitas, Pexels)